Der Pflichtteilsanspruch

15.10.2024

Die Rechte von Kindern und Ehepartnern an dem Nachlass des versterbenden Elternteils/Ehepartners sind in Deutschland umfangreich geregelt. Kinder oder Ehepartner so zu stellen, dass sie tatsächlich gar nichts von dem Nachlass erhalten, ist vom Gesetz her eigentlich nicht vorgesehen. Selbst wenn der Ehepartner/das Elternteil ein Testament errichtet hat und Kinder und Ehepartner enterbt hat, haben diese einen Anspruch auf den sog. Pflichtteil. Dieser Pflichtteil besteht in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Anspruchs. Im Fall des Versterbens eines Ehemannes, der eine Ehefrau und zwei Kinder hinterlässt, erbt die Ehefrau gesetzlich die Hälfte des Nachlasses, die beiden Kinder zusammen die andere Hälfte, also jedes Kind ein Viertel des Nachlasses. Werden nun die beiden Kinder zugunsten der Ehefrau enterbt, wie dies bspw. in dem weit verbreiteten Berliner Testament erfolgt, in dem die Ehegatten sich zunächst gegenseitig als Erben einsetzen und die Kinder erst als Erben des zuletzt versterbenden Ehepartners, haben die beiden Kinder gegen die Ehefrau bei Tod des Vaters trotzdem jeweils einen Anspruch i.H.v. einem Achtel des Nachlasses.


Manchmal sind die Verhältnisse allerdings so, dass der Erblasser schon zu Lebzeiten versucht, seinen Nachlass zu schmälern, damit dieser im Falle seines Todes gering ist und damit auch der Pflichtteil für einen unliebsamen Abkömmling oder Ehepartner verringert wird. Dies kann dadurch geschehen, dass Vermögenswerte bereits zu Lebzeiten übertragen werden, also z.B. das Hausgrundstück an eines der Kinder übertragen wird. Hierbei kommt es dann im Erbfall darauf an, wann die Schenkung erfolgt ist. Ist diese länger als 10 Jahre vor dem Erbfall erfolgt, hat sie keine Auswirkungen mehr auf die Höhe des Nachlasses. Liegen allerdings zwischen dem Versterben des Erblassers und der Schenkung weniger als 10 Jahre, erfolgt eine jeweils den Jahren nach abgezinste Anrechnung auf den gesamten Nachlass. Ist also die Schenkung 5 Jahre vor dem Erbfall erfolgt, werden noch 50 % des Werts des Hausgrundstücks für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs zum Nachlass hinzugerechnet, bei einer Schenkung 8 Jahre vor dem Erbfall noch 20 % usw.. Hierdurch kann sich dann der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten noch einmal erhöhen. Sollte also der Wunsch bestehen, dass einer oder mehrere der gesetzlichen Erben möglichst wenig von dem Nachlass erhält, sollte er zunächst testamentarisch enterbt und dann die Vermögenswerte bereits frühzeitig auf die potentiellen Erben übertragen werden. Dass dieser Vorgang allerdings im Gegenzug natürlich Auswirkungen auf die Verfügungsmöglichkeiten über das Vermögen hat, das ja dann nicht mehr das eigene Vermögen ist, darf allerdings bei den Überlegungen nicht außer Acht bleiben. Eine ausführliche anwaltliche oder notarielle Beratung ist in diesem Fall notwendig, damit es im Laufe der Jahre dann nicht zu unliebsamen Überraschungen kommt.