Müssen Arbeitnehmer wirklich keine strittigen Anweisungen befolgen?

20.07.2017

Ein aktueller Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes hat in den Medien große Aufmerksamkeit erfahren. Gegenstand des Beschlusses war die Frage, ob Arbeitnehmer unbillige Weisungen des Arbeitgebers sofort befolgen müssen oder ob sie eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung, die feststellt, dass die Weisung unbillig war, abwarten dürfen, bis sie der Weisung folgen.

In den Medien wurde aus dem Beschluss zum Teil die Schlussfolgerung gezogen, dass Arbeitnehmer strittige Anweisungen des Arbeitgebers grundsätzlich nicht mehr befolgen müssen, bis ein Gericht entschieden hat. Stimmt das aber wirklich? Nein!

Gegenstand des Verfahrens war die Versetzung eines Arbeitnehmers durch seinen Arbeitgeber von Dortmund nach Berlin. Der Arbeitnehmer war dieser Weisung nicht nachgekommen, weil er diese für unbillig hielt. Der Arbeitgeber hatte den Arbeitnehmer darauf hin abgemahnt und dann außerordentlich gekündigt.

Bislang war das Bundesarbeitsgericht der Auffassung, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, auch einer unbilligen Weisung sofort nachzukommen. Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung seine Auffassung bestätigt, konnte er die Leistung verweigern. Hier hätte das bedeutet, das der Arbeitnehmer von Dortmund von Berlin hätte umziehen und seiner Tätigkeit solange nachgehen müssen, bis ein Gericht rechtkräftig bestätigt hätte, dass die Weisung unbillig war, was nach der Erfahrung jahrelang dauern kann.

Ein anderer Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sich von dieser Rechtsprechung abgewandt und entschieden, dass die nicht nur die dort verhandelte Versetzung unbillig gewesen ist, weil nicht festgestellt werden konnte, dass die Interessen des Arbeitgebers an der Versetzung nach Berlin, die Interessen des Beklagten in Dortmund zu bleiben, überwogen haben. Vielmehr war das Bundesarbeitsgericht auch der Auffassung, der Arbeitnehmer nicht verpflichtet gewesen ist der Weisung nachzukommen und in Berlin zu arbeiten, weil die Versetzung unbillig war. Dies mit der Folge, dass nicht nur die Kündigung unwirksam war, sondern der Arbeitnehmer auch für die Zeitdauer des gesamten Verfahrens, sein Gehalt beanspruchen konnte, obwohl er nicht gearbeitet hat.

Kann man also Weisungen des Arbeitgebers, die nicht gefallen, auf Grund dieser Entscheidung nicht mehr nachkommen? Nein!

Zunächst ist den Weisungen des Arbeitgebers zum jetzigen Zeitpunkt schon deshalb zu folgen, weil innerhalb des Bundesarbeitsgerichts überhaupt erst eine Entscheidung getroffen werden muss, ob man an der alten Auffassung festhält oder der neuen Auffassung folgt.

Selbst wenn sich die neue Auffassung durchsetzen sollte, ist diese nicht auf jede Arbeitsanweisung anwendbar. Vielmehr wäre zwischen tatsächlich unbilligen und billigen Weisungen zu unterscheiden.

Unbillig ist eine Entscheidung immer dann, wenn die wesentlichen Umstände des Einzelfalls nicht abgewogen wurden und die beiderseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht angemessen berücksichtigt worden sind. Unbilligkeit kann regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn erhebliche Veränderungen von einem Arbeitnehmer gefordert werden, wie z.B. ein Umzug von München nach Hamburg, Ableistung von Nacht- oder Schichtarbeit. Während unwesentliche Änderungen, z.B. die Einführung einer Kleiderordnung, die Änderung von Arbeitszeiten oder eine Versetzung von Eltville nach Geisenheim regelmäßig eher billigem Ermessen entsprechen dürfte.

Nur dann aber, wenn die Anordnung des Arbeitgebers unbillig war, wäre der Arbeitnehmer gefahrlos berechtigt, der Weisung nicht nachzukommen. Wenn rechtskräftig festgestellt wurde, dass die Weisung hingegen billigem Ermessen entsprochen hat und der Arbeitnehmer die Arbeit somit rechtswidrig verweigert hat, hat er weder einen Anspruch auf Gehalt für die Zeit der Leistungsverweigerung, noch kann er mit einer Klage gegen eine eventuell ausgesprochene Kündigung erfolgreich sein.

Insoweit ist dringend davon abzuraten, Weisungen des Arbeitgebers nicht nachzukommen ohne hiervor entsprechenden Rechtsrat einzuholen. Es ist nämlich gerade nicht so, dass man alle strittigen Anweisungen nicht befolgen muss.