Versorgungsausgleich

28.01.2020

Entgegen der landläufigen Vorstellungen wird im Rahmen eines Scheidungsverfahrens neben dem eigentlichen Scheidungsausspruch nur über einen einzigen Bereich automatisch und von Amts wegen mit entschieden: über den Versorgungsausgleich. Sämtliche anderen Fragen, die im Zusammenhang mit einer Scheidung bestehen, bspw. Unterhalt oder Vermögensausgleich, werden nur auf entsprechenden Antrag eines der Beteiligen vom Gericht entschieden. Grund genug, sich diesen wichtigen Bereich einmal näher anzusehen.

Im Versorgungsausgleich werden die während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften gegenseitig ausgeglichen. Hintergrund dieser Regelung ist das jahrelang vorherrschende Modell der Hausfrauenehe, in dem die Ehefrau zuhause blieb, um Kinder, Ehemann und Haushalt zu versorgen und so eben keine oder nur geringe Rentenanwartschaften durch eine eigene sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufbauen konnte. Im Falle einer Scheidung stand sie dann, oftmals nach langjähriger Ehe, ohne eigene Rentenansprüche da, während der Ehemann Anwartschaften aufgebaut hatte. Da der Gesetzgeber die Hausfrauenarbeit als für die Familie gleichwertig mit der Erwerbstätigkeit der Männer ansah, sollte nun auch bei Beendigung der Ehe ein angemessener Ausgleich der Rentenanwartschaften erfolgen. Die rechtliche Grundlage hierfür ist das Versorgungsausgleichsgesetz.

In der Praxis bedeutet dies, dass das Gericht mit Zustellung des Scheidungsantrags an beide Eheleute Fragebögen versendet, in denen sie Angaben zu ihren Beschäftigungsverhältnissen machen müssen. Die Auskünfte sind zwingend zu erteilen und werden vom Gericht ggf. durch die Verhängung von Zwangsgeldern durchgesetzt. Jeder Ehegatte erhält Kenntnis von den Angaben des Ehepartners, so dass er überprüfen kann, ob die Auskünfte richtig und vollständig erteilt worden sind. Aufgrund der Angaben holt das Gericht dann Auskünfte bei den einzelnen Rentenversorgungsträgern ein. Dies sind bspw. die Deutsche Rentenversicherung, aber auch Träger betrieblicher Altersversorgungen oder privat abgeschlossene Zusatzversorgungen (z.B. „Riester-Rente“). Ziel ist es, sämtliche während der Ehezeit erworbenen Anrechte gegenseitig auszugleichen.

Die Versorgungsträger erteilen ihre Auskünfte bezogen auf die Ehezeit, d.h. für den Zeitraum zwischen Eheschließung und Zustellung des Scheidungsantrags. Nur in diesem Zeitraum erworbene Anrechte sind hälftig auszugleichen. Vorher (oder auch später) erworbene Anrechte verbleiben hingegen dem einzelnen Ehegatten ungeschmälert. Die Versorgungsträger schlagen dem Gericht aufgrund der hälftigen Teilung vor, wie das einzelne Anrecht konkret ausgeglichen werden soll. Dies kann durch die sog. interne Teilung erfolgen, nämlich innerhalb desselben Versorgungsträgers, wenn bereits ein eigenes Konto des Berechtigten dort besteht oder direkt dort eines eigenen neuen Kontos des Berechtigten eingerichtet werden kann. Alternativ hierzu kann auch die sog. externe Teilung erfolgen, hier muss der berechtigte Ehepartner angeben, zu welchem hierzu bereiten Versorgungsträger er die Rentenanwartschaften übertragen möchte.

Der Ausgleich findet gegenseitig statt, d.h. es werden sämtliche während der Ehezeit erworbenen Anrechte des Ehemannes und der Ehefrau ausgeglichen. Dies führt zum Teil zu einer Hin- und Herübertragung von Anrechten innerhalb desselben Versorgungsträgers.

In dem Scheidungsbeschluss beschließt das Gericht über die Durchführung des Versorgungsausgleichs und den Ausgleich der einzelnen Anrechte. Dieser Beschluss wird von den Versorgungsträgern umgesetzt. Die Versorgungsträger sind insoweit auch Verfahrensbeteiligte, so können sie gegen den Beschluss zum Versorgungsausgleich Rechtsmittel einlegen, sollten sie ihn für fehlerhaft halten.

Hingewiesen werden muss auf den Umstand, dass es Anrechte geben kann, die zum Zeitpunkt der Scheidung noch nicht ausgleichsreif sind, weil sie bspw. noch nicht ausreichend verfestigt sind. Dies kann z.B. der Fall bei Betriebsrenten sein, die erst nach einer gewissen Betriebszugehörigkeit unverfallbar werden. Hierüber kann das Gericht dann zum Zeitpunkt der Scheidung auch noch nicht entscheiden und hält diesen Umstand in dem Beschluss fest. Diese Anrechte bleiben dem nachehelichen Versorgungsausgleich vorbehalten und müssen bei Eintritt der Voraussetzungen, oft Jahre nach der Scheidung, gesondert geltend gemacht werden. Wichtig ist, dass diese Anrechte nicht aus den Augen verloren werden, weil hier der Ausgleichsberechtigte selbst tätig werden muss, um seine Ansprüche durchzusetzen.

Wie eingangs erwähnt, ist die Durchführung des Versorgungsausgleichs zwingend und i.d.R. auch im Interesse zumindest eines der Eheleute. Im Einzelfall kann dies allerdings auch nicht der Fall sein, etwa wenn beide Eheleute durchgehend vollschichtig erwerbstätig waren und eigene Rentenanwartschaften aufgebaut haben, also kein Ehegatte durch die Ehe Nachteile hatte. Dann kann die Durchführung des Versorgungsausgleichs von den Eheleuten vorab durch notarielle Vereinbarung oder auch noch im Scheidungstermin selbst ausgeschlossen werden. Sofern das Gericht keine grobe Benachteiligung eines der Ehegatten in dem Ausschluss sieht, findet der Versorgungsausgleich nicht statt.

Gleiches gilt, wenn die Ehe weniger als drei Jahre bestanden hat. In diesem Fall findet ein Versorgungsausgleich nur dann statt, wenn einer der Ehegatten die Durchführung beantragt.