Wie sind Überstunden abzugelten?

19.12.2019

Eine pauschale Abgeltung von Überstunden kann auch bei Arbeitnehmern mit Vertrauensarbeitszeit in Bereichen, in denen Überstunden die Regel darstellen und welche damit keine berechtigte Erwartung an Überstundenvergütung haben, unwirksam sein. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 26. Juni 2019 (5 AZR 452/18) entschieden, dass eine tarifvertraglich vereinbarte pauschale Abgeltung von Überstunden in Form von neun Ausgleichstagen eine darüberhinausgehende Überstundenvergütung nicht generell ausschließt. Geklagt hatte ein Gewerkschaftssekretär.

Als Gewerkschaftssekretär war es ihm nach der für ihn geltenden Betriebsvereinbarung verwehrt, bei der Vergütung von Überstunden eine sog. „Spitzabrechnung“ vorzunehmen. Damit ist gemeint, dass es ihm danach nicht möglich war, die tatsächlich angefallen Überstunden vergüten zu lassen. Vielmehr sollte nach der Vereinbarung eine pauschale Abgeltung erfolgen, nach der der Kläger pauschal neun Ausgleichstage erhielt.

Eine solche Regelung kann allerdings im Einzelfall, so wie in dem Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall, unwirksam sein. Zum einen muss eine solche Regelung, so das Bundesarbeitsgericht, wie dies generell bei tarifvertraglichen Vereinbarungen der Fall sein muss, dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen. Es muss also aus der Regelung klar hervorgehen, in welchen Fällen diese zur Anwendung kommen soll, wann also nur eine pauschale Abgeltung erfolgt und wann nicht. Es muss für den Arbeitnehmer klar sein, ob er persönlich und aufgrund seiner auszuführenden Arbeiten in den Anwendungsbereich dieser Regelung fällt, ob er also nur eine pauschale Überstundenabgeltung erhält oder ob er doch eine „spitz“ abgerechnete Vergütung für die geleisteten Überstunden fordern darf.

In dem von dem Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall sollte ein solcher pauschaler Ausgleich für Gewerkschaftssekretäre bei „regelmäßiger Mehrarbeit“ erfolgen. Nicht aus der Regelung ging allerdings hervor, was überhaupt unter dem Begriff „regelmäßige Mehrarbeit“ zu verstehen ist. In der Vereinbarung wurde nicht nur alleine die Begrifflichkeit „Mehrarbeit“, sondern auch die Begrifflichkeit „Überstunden“ verwendet. In einem solchen Fall bleibt für den Arbeitnehmer allerdings unklar, ob „Mehrarbeit“ etwas anderes sein soll als „Überstunden“. Da hier jedoch eine genaue Definition und Abgrenzung der beiden Begriffe in der Betriebsvereinbarung nicht vorgenommen wurde und somit die verwendete Klausel nicht genügend bestimmt war, waren im Ergebnis die tatsächlich geleisteten Überstunden dem Gewerkschaftssekretär zu vergüten.

Darüber hinaus verstößt eine solche Vereinbarung, die zwischen Arbeitnehmern unterscheidet, die „regelmäßig“ Überstunden leisten und die lediglich eine Pauschalvergütung erhalten und solchen Arbeitnehmern, die „unregelmäßig“ Überstunden leisten und eine „Spitzabrechnung“ vornehmen dürfen, nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn auch bei einer vorrübergehend ungewöhnlichen hohen Zahl von Überstunden dem pauschal vergüteten Arbeitnehmer es nicht ermöglicht wird, einen wesentlichen Teil der geleisteten Überstunden durch bezahlte Freizeit auszugleichen.

Vertrauensarbeitszeit schließt demnach grundsätzlich die Vergütung von Überstunden nicht aus. Hat der Arbeitnehmer, der „regelmäßig“ Überstunden zu leisten hat, es aufgrund des Umfangs der durch den Arbeitgeber aufgegebenen Arbeit selbst nicht mehr in der Hand, Überstunden durch Beginn und Ende der Arbeitszeit „auszugleichen“, sind diese geleisteten Überstunden durch den Arbeitnehmer zu vergüten. Allenfalls dann, wenn durch selbstbestimmten Beginn und Ende der Arbeitszeit der Aufbau von Überstunden verhindert werden kann, könnte eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit „regelmäßigen“ Überstunden und solchen, die „nicht regelmäßig“ Überstunden leisten, gerechtfertigt sein.