Fragen zum Unterhalt beim Wechselmodell

26.04.2023

Lange Zeit war die Lage bei einer Scheidung der Ehe oder der Trennung von nichtverheirateten Eltern minderjähriger Kinder klar: sofern die Mutter nicht völlig ungeeignet zur Kindererziehung erschien, wurden ihr die Kinder bei einer Scheidung oder im Falle der Trennung zugesprochen und lebten fortan im mütterlichen Haushalt. Dem Vater wurde lediglich ein Umgangsrecht eingeräumt, einen tatsächlichen Anteil an der Erziehung und dem Aufwachsen der Kinder hatte er aber meist nur noch in sehr eingeschränktem Umfang. Unproblematisch war in diesem Fall die Frage des zu zahlenden Kindesunterhalts. Da die Mutter ihrer Unterhaltsverpflichtung durch die Betreuung nachkam, war der Vater zur Zahlung des Kindesunterhalts verpflichtet. Hierbei orientierte sich der zu zahlende Kindesunterhalt an der Düsseldorfer Tabelle, die den Kindesunterhalt anhand der Einkünfte des Vaters und des Lebensalters des Kindes schematisch festlegte.

Dieses System ist inzwischen durch die Lebenswirklichkeit vieler Familien überholt worden. Väter beteiligten sich zunehmend an der Erziehung und Betreuung der Kinder, sind wichtige Bezugspersonen und wollen aus dem Alltag der Kinder auch im Falle einer Scheidung oder Trennung nicht ausgeklammert und auf ein reines Besuchsrecht am Wochenende reduziert werden. Mütter sind im Gegenzug heute ebenfalls oftmals vollzeitig berufstätig und müssen den Alltag mit Kinderbetreuung und Beruf bewältigen. Das Sorgerecht verbleibt rechtlich auch nach der Scheidung bei den Eltern gemeinsam, im Falle der Trennung der nicht mit einander verheirateten Eltern dann, wenn der Vater das Sorgerecht ebenfalls beantragt hatte, so dass hier grundsätzlich nicht gesagt werden kann, dass ein Elternteil dem anderen rechtlich vorgeht. Viele scheidungs-/trennungswillige Paare einigen sich daher darauf, dass die Kinder im Rahmen eines Wechselmodells von beiden abwechselnd betreut werden sollen. Die Ausgestaltung des zeitlichen Umfangs ist insoweit individuell verschieden.

Die Rechtsprechung geht nur in dem Fall, dass sich kein Schwerpunkt der Betreuung des Kindes durch einen Elternteil feststellen lässt, von einem Wechselmodell aus. Die Betreuung muss also zu 50 % der Zeit durch die Mutter und zu 50 % der Zeit durch den Vater erfolgen. Sämtliche anderen Fälle, in denen das Kind bspw. 70 % von der Mutter und 30 % vom Vater betreut wird, werden von der Rechtsprechung als Fall des erweiterten Umgangs angesehen.

Was bedeutet diese Differenzierung nun für den ja nach wie vor bestehenden Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt?

Sofern das Kind in einem von der Rechtsprechung angerkannten Wechselmodell betreut wird, also jeder Elternteil 50 % der Zeit abdeckt, bestimmt sich der Barunterhaltsbedarf des Kindes unter Berücksichtigung der Düsseldorfer Tabelle nach den addierten Einkünften der Eltern. Ob dann noch ein Ausgleichsanspruch zwischen den Eltern besteht, d.h. der eine vom anderen noch die Zahlung eines Ausgleichsbetrages verlangen kann, berechnet sich dann im 2. Schritt  nach dem Verhältnis der Einkünfte der Eltern zueinander. Bei einem Unterschied zwischen den Einkünften der Eltern besteht dann ggf. ein Anspruch gegen den anderen Elternteil auf Ausgleich.

Kommt es hierüber zum Streit, kann der ausgleichsberechtigte Elternteil diesen Anspruch aber nicht selbst geltend machen, weil aufgrund des gemeinsamen Sorgerechts und der hälftigen Aufteilung der Betreuung weder alleinige Vertretungsmacht noch Prozessstandschaft (also die Befugnis, den Anspruch des Kindes durchzusetzen) besteht. Es ist dann ein Ergänzungspfleger zu bestellen oder das Elternteil, das den Anspruch durchsetzen möchte, muss gerichtlich beantragen, dass ihm die Entscheidungsbefugnis in der Unterhaltsfrage übertragen wird.

Im Fall der von der Rechtsprechung lediglich als erweiterten Umgang angesehenen Ausdehnung der Betreuungszeiten auf einen Zeitrahmen unterhalb von 50 % verbleibt es bei der Unterhaltspflicht des Elternteils, bei dem sich das Kind weniger aufhält. Dem Umstand, dass das Elternteil allerdings doch höhere Aufwendungen aufgrund des längeren Umgangs hat, kann (nicht muss!) dadurch Rechnung getragen werden, dass entweder die vermehrten Aufwendungen konkret nachgewiesen werden oder eine Herabstufung bei der Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle erfolgt.

Der nach wie vor vorkommenden Fall, dass das Kind ganz überwiegend bei einem Elternteil lebt und das andere Elternteil Umgang an jedem 2. Wochenende und der Hälfte der Schulferien hat, fällt allerdings nicht unter diese Regelung. In diesem Fall ist nach wie vor der ungeschmälerte Unterhalt zu bezahlen.