Neues aus dem Arbeitsrecht

22.12.2022

Bereits mit Urteil vom 13.09.2022 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az. 1 ABR 22/21), dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen. Doch wie genau hat dies zu erfolgen? Diese Frage wurde nun durch die am 02.12.2022 veröffentlichten Entscheidungsgründe des benannten BAG-Urteils geklärt.

Entsprechend dem dem BAG-Urteil vorangegangenen Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14.05.2019 (Az. C-55/18) ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System für die Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten einzurichten. Solange vom Gesetzgeber (noch) keine konkrete Vorgaben getroffen worden sind, besteht ein Spielraum u.a. für die Form dieses Systems. Nach dem BAG ist daher eine elektronische Arbeitszeiterfassung nicht zwingend erforderlich; vielmehr kann auch die Nutzung von händisch ausgefüllten Stundenzetteln genügen. Auch wenn die Einrichtung und der Nachweis der Arbeitszeiterfassung dem Arbeitgeber obliegt, kann er die tatsächliche Aufzeichnung an die Arbeitnehmer delegieren. Die Nachweise müssen nach dem BAG-Urteil Angaben zu Beginn und Ende und damit der Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden enthalten.

Unternehmen sollen aber bei der Wahl des Zeiterfassungssystems die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche sowie die Eigenarten des Unternehmens, insbesondere seine Größe, berücksichtigen.

Auch Vertrauensarbeitszeit ist hiernach weiterhin möglich. Entscheidend ist jedoch, dass man hierunter die Planungsfreiheit hinsichtlich der Lage und nicht der Dauer der Arbeitszeit versteht.

Die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung gilt ab sofort; eine Übergangsfrist gibt es nicht. Jedoch ist die Verhängung eines Bußgeldes erst möglich, nachdem einer entsprechenden Anordnung einer Arbeitsschutzbehörde nicht Folge geleistet wurde.

Laut BAG sind von der Verpflichtung leitende Angestellte wie auch Geschäftsführer derzeit nicht umfasst. Schlussendlich bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber mit den Entscheidungsgründen und den bisher geltenden gesetzlichen Regelungen umgehen wird. Die Bundesregierung arbeitet bereits an einer Umsetzung der Vorgaben des EuGH aus dessen Stechuhr-Urteil.

Arbeitgebern, in deren Unternehmen bisher keine Arbeitszeiterfassung erfolgt, ist anzuraten, die Arbeitnehmer anzuweisen, entsprechende Aufzeichnungen ihrer Arbeitszeit zu führen, und die Durchführung zu kontrollieren.

Neu ist die Pflicht des Arbeitgebers zur Abrufung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ab dem 01.01.2023. Künftig ist der Arbeitgeber verpflichtet, die eAU eines gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmers bei dessen Krankenkasse abzurufen. Doch was bedeutet dies genau?

Bereits seit dem 01.01.2022 sind Ärzte im Falle einer Arbeitsunfähigkeit eines gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmers verpflichtet, die notwendigen Daten elektronisch an die zuständige Krankenkasse des Arbeitnehmers zu übersenden. Ab dem 01.01.2023 ist der Arbeitnehmer nur noch zur ärztlichen Feststellung und Meldung der Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgeber verpflichtet; die bisherige Pflicht zur Vorlage der AU in Papier beim Arbeitgeber hingegen entfällt. Vielmehr ist der Arbeitgeber dann verpflichtet, nach Unterrichtung durch den Arbeitnehmer die Daten bei der Krankenkasse des Arbeitnehmers elektronisch abzurufen.

Zum Abruf der Daten sendet der Arbeitgeber eine Anfrage nach der eAU an die Krankenkasse über deren Kommunikationsserver. Nach Erhalt der Anfrage stellt die Krankenkasse die eAU zum Abruf auf dem Kommunikationsserver bereit. Der Arbeitgeber erhält eine Benachrichtigung über die erfolgte Bereitstellung. Der Abruf sollte am Folgetag der ärztlichen Feststellung möglich sein.

Diese Verpflichtung des Arbeitgebers besteht bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern und Beschäftigte auf Minijob-Basis in Unternehmen. Das neue Verfahren gilt nicht für privat krankenversicherte Arbeitnehmer, Minijobbern in Privathaushalten oder in Fällen, in denen die AU durch einen Arzt erfolgt, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt. Ebenso gilt es nicht für AU-Bescheinigungen aus dem Ausland oder der Ausstellung von Bescheinigungen bei Krankheit eines Kindes.