Kann man sich per Whats App krankschreiben lassen?

01.10.2019

Seit Ende letzten Jahres bietet ein Unternehmen Arbeitnehmern die Möglichkeit, sich bei Erkältungssymptomen ohne Arztbesuch krankschreiben zu lassen.

Wie funktioniert das? Der Arbeitnehmer beantragt online die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und muss im Anschluss einen Fragenkatalog zu Erkältungssymptomen beantworten. Die Antworten werden von einem Arzt geprüft, der dann per Whats App Kontakt mit dem Arbeitnehmer aufnimmt, ggf. weitergehende Fragen beantwortet, sich die persönlichen Daten des Arbeitnehmers sowie Versichertendaten übermitteln lässt und abschließend das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit feststellt oder nicht. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird ebenfalls ausgestellt und dem Arbeitnehmer zunächst per Whats App und im Anschluss auch per Post zur Einreichung beim Arbeitgeber übersandt.

Ob die Vorgehensweise gegen ärztliche Behandlungsgrundsätze bzw. Verhaltensregelungen verstößt, ist nach der jeweils einschlägigen Berufsordnung zu beurteilen. Während bislang eine ausschließliche Fernbehandlung untersagt war und Ärzte nur bereits bekannte Patienten per Telefon oder Videochat behandeln durften, wurde diese Regelung im Jahr 2018 gelockert. Die Berufsordnung der Ärzte und Ärztinnen in Hessen sieht z.B. vor, dass eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien im Einzelfall erlaubt ist, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt, insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird. Ob diese Voraussetzungen durch eine wie vorstehend beschriebene Behandlung als erfüllt angesehen werden können, ist allerdings noch nicht geklärt, da sowohl die Regelung zur Fernbehandlung, als auch das Behandlungsangebot neu sind. Hier gilt es deshalb die weitere Entwicklung abzuwarten.

Ebenfalls noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, wie Arbeitgeber mit einer solchen Krankschreibung umgehen. Grundsätzlich genießen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einen hohen Beweiswert, d.h. es wird erst einmal unterstellt, dass ein Arbeitnehmer, dem Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde, auch tatsächlich arbeitsunfähig ist. Der Arbeitgeber kann diese Feststellungen grundsätzlich anzweifeln und den Beweiswert dadurch erschüttern, dass er Tatsachen darlegt und beweist, die ernstliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hervorrufen. Als Beispiel sei hier der Arbeitnehmer genannt, der aufgrund einer Magen-Darm-Grippe arbeitsunfähig erkrankt ist und dann vom Arbeitgeber im Schwimmbad angetroffen wird.

Gilt dieser hohe Beweiswert aber auch für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, bei der der Arzt den Patienten nicht persönlich kennt und ihn auch nicht persönlich untersucht hat? Derzeit geht die Rechtsprechung aufgrund eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1976 noch davon aus, dass die Richtigkeitsvermutung erschüttert wird, wenn ein Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne persönliche Untersuchung ausgestellt hat. Auch hier gilt es also die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung abzuwarten, bevor sich mit Sicherheit sagen lässt, ob ein Arztbesuch wirklich entbehrlich ist, um sich „sicher“ krankschreiben zu lassen.